Der Tag vergeht nicht. Abdou bringt Tee und schenkt mit einer ausladenden Bewegung ein. Er erzählt mir, dass der sich dadurch bildende Schaum das Aroma der Minze noch verstärkt. Ich nehme das Glas, rieche daran, schließe meine Augen und trinke einen Schluck. Der Tee belebt, ist heiß, und doch erfrischt er mich. Ein leichter Wind zieht durch die Höfe und erreicht auch mich. Eigentlich wäre es wieder Zeit zu ruhen, doch nehme ich mir das Buch „Die Stimmen von Marrakesch“ von Elias Canetti und vergleiche seine Eindrücke und Erlebnisse mit den meinen, lausche dem Plätschern des Brunnens im Hintergrund, gleite von den Sätzen und Seiten ab, schaue dem Mosaikspiel der Rosenblätter im bewegten Wasser zu, höre die rhythmische Musik, von der Canetti berichtet und die mich täglich in der Medina begleitet, erblicke Vögel unter den Palmen und Bananen-Stauden, die nach Nahrung suchen oder sich mit kleinen Fundstücken die Nester bauen, hier in meinem Haus, in meinem Riad, in einer ganz eigenen Welt, die mir die innere Ruhe verschafft, an deren Ende immer jene Ewigkeit zu herrschen scheint, die es ermöglicht, den Tag nicht zu bestimmen und zu teilen, sondern sich treiben zu lassen und auf eben diesem Weg die Notwendigkeiten des Tages zu passieren und ganz und gar eins mit der Umgebung zu sein.
english / englisch
Daylight lingers. Abdu brings me tea, pouring it from a great height. The aeration intensifies the flavour of the mint, he tells me. I pick up the glass, sniff it, and then close my eyes and take a mouthful. This is invigorating tea, hot but refreshing. A gentle breeze wafts through the courtyard and cools me. It’s really time to sleep, but I pick up Elias Canetti’s book, The Voices of Marrakesh, and compare his impressions and experiences with my own as the fountain plays gently in the background. I look up from what I am reading to watch the rose petals forming a mosaic in the ruffled water and listen to the rhythmic music that Canetti describes and that accompanies me into the medina every day. I see birds pecking for food under the palm-trees and banana plants or gathering material for the nests that they will build here, in my house, in my riad, in my own private world. It’s a world that gives me deep inner peace and creates a sense of timelessness; it somehow enables me to ignore the pressure to fragment and regiment my day and simply to allow things to happen, to get through what has to be done in perfect harmony with my environment.